Warum ist das so und was ist gut daran?
Der Begriff Selbstfindung ist heutzutage in vieler Munde. Ursprünglich stamm dieser Begriff aus der Entwicklungspsychologie und wird wie folgt definiert: Selbstfindung beschreibt einen in der Pubertät beginnenden Prozess, durch den ein Mensch versucht, sich in seinen Eigenheiten und Zielen zu definieren, vor allem in Abgrenzung von der Gesellschaft und ihren Einflüssen.
Bemüht man einmal eine der vielen Suchmaschinen, erhält man unzählige Artikel und Bücher zum Thema Selbstfindung. Beispielsweise Amazon allein hat über 1.000 Bücher zu diesem Thema. Auch wenn die Ansätze unterschiedlich sein mögen, im Grundkonsens ähneln sich alle. Ob es nun 5, 15 oder 17 Tipps sind, die einem helfen sollen herauszufinden, was man vom Leben will, spielt dann letztlich auch keine Rolle mehr.
In nahezu jedem Artikel oder Buch zum Thema Selbstfindung werden früher oder später folgende Fragen thematisiert:
Wer bin ich?
Was will ich wirklich?
Was sind meine Ziele
Fühlt sich das, was ich gerade tue richtig an?
Was würde ich tun, wenn Geld keine Rolle spielen würde?
Ich bin auch der Meinung, dass es sehr wichtig ist, sich mindestens einmal in seinem Leben mit diesen richtungsgebenden Fragen auseinanderzusetzen. Optimaler Weise sollte man sich diese Fragen sogar in regelmäßigen Abständen stellen. Aber das soll nicht der Inhalt dieses Beitrages sein. Vielmehr möchte ich auf das eingehen, was einem vorher keiner sagt: Der Weg zur Selbstfindung kann verdammt einsam sein.
Warum ist das so?
In erster Linie liegt es natürlich daran, dass der Weg zur Selbstfindung immer über unsere Emotionen geht. Da führt (leider) kein Weg dran vorbei. Und außer uns selbst, kennt niemand unsere wahren, ungefilterten Emotionen. Daher kann ein Außenstehender dir auch keine nachhaltige Unterstützung bei der Selbstfindung bieten. Möglicherweise kann er dir Anregungen oder Denkanstöße geben. Wenn du dich gerade in der Phase der Selbstreflektion befindest, kann es auch hilfreich sein, Personen aus deinem Umkreis nach deinen Stärken und Schwächen zu fragen, um eine Fremdbeurteilung zu erhalten. Aber die Antworten auf Fragen wie die obigen musst Du alleine finden. Besser gesagt, die darfst du alleine finden. Du hast in diesem Prozess die Möglichkeit ganz egoistisch zu schauen, was dich glücklich macht. Unabhängig von sämtlichen Einflüssen. Und das ist ein großes Gut.
Ein weiterer Grund für die Einsamkeit während der Findungsphase liegt in der Natur der Menschen. Niemand zeigt sich gern verletzlich oder geht gern mit seinen Schwächen hausieren. Gründe dafür können unter anderem Angst vor Zurückweisung sein. Aber um sich selbst zu finden, ist es essentiell sich eben auch mit diesen Themen auseinanderzusetzen und daher macht der Mensch per se das lieber im Stillen. Was letztendlich auch dazu beiträgt, dass sich die Antworten nicht durch äußere Einflüsse verfälschen.
Wenn wir uns also auf die Reise machen, uns selbst zu finden, dann wird früher oder später auch der Zeitpunkt kommen, in dem man sein gesamtes Umfeld überdenkt oder viel mehr überdenken muss. Denn was bringen einem neuen Ziele und Vorsätze, wenn das Umfeld nicht passt? Warum ein unpassendes Umfeld hinderlich sein kann, lässt sich schnell anhand folgender beispielhafter Situation aufzeigen:
Du hast entdeckt, dass für dich Bewegung ein enormer Ausgleich zu deinem Büro-Alltag ist. Anfangs bist du voller Elan dabei, doch es gibt natürlich auch Tage, an denen du dich trotz des positiven Effektes nicht motivieren kannst. Gerade jetzt wäre Motivation von außen mehr als hilfreich. Aber dein Freundeskreis und vielleicht sogar dein/deine Partner/Partnerin gehören eher zu der Kategorie Bewegungsmuffel. Für sie ist der Fernseher der Ort zum Abschalten. Und gar nicht aus Böswilligkeit, sondern viel mehr aus Gewohnheit werden sie dich vermutlich eher dazu motivieren mit dir fernzusehen, als dich an die Hand zu nehmen und mit dir durchzustarten.
Beschäftigen wir uns mit dem Thema Selbstfindung, dann begeben wir uns auch automatisch raus aus unserer bisherigen Komfortzone. Wir schlagen einen neuen, bislang unbekannten Weg ein, mit dem Ziel daran zu wachsen. In vielen Ratgebern findet man Empfehlungen wie „geh alleine reisen, um dich selber besser kennenzulernen“ oder „lerne neue Menschen kennen, die zu dem Ich passen, welches du gern sein möchtest“. Das ist ja alles schön und gut und vor allem klingt das erstmal ganz hervorragend, ganz aufregend. Aber wenn man sich in dem Zwischenschritt zwischen „altem“ und „neuen“ Leben befindet, kann es eben auch mal einsam werden.
Man stellt fest, dass der bestehende, „alte“ Umkreis nicht mehr ganz passend ist, weil man eben doch zu unterschiedliche Ideen und Vorstellungen vom Leben hat. Es kann dazu kommen, dass man wenig bis kaum Unterstützung erfährt und sich nach Personen sehnt, die einen in seinem Vorhaben bestärken können. Aber versteh mich bitte nicht falsch, du sollst jetzt keinesfalls wahllos alle Brücken einreißen und dich von deinem Freundeskreis distanzieren. Vielmehr solltest du hinterfragen, ob es für dich und deine Entwicklung förderlich ist oder nicht. Zumeist ist es aber so, dass man ganz automatisch (leider) feststellt, dass es eben nicht mehr so passt, wie es früher einst der Fall war. Und das ist auch in Ordnung! Es gibt einfach Personen, die sollen nur für einen bestimmten Zeitraum in deinem Leben sein, um dir etwas Bestimmtes beizubringen. Vielleicht sollen sie dir auch nur das Loslassen beibringen. Was genau dir das Leben damit lehren wollte, erkennt man meist aber erst mit etwas Distanz. Natürlich gibt es auch Freundschaften, die über mehrere Stadien der Weiterentwicklung bestand haben. Dies ist etwas ganz Besonderes und das solltest du entsprechend wertschätzen!
Wenn du dich also auf dem „Zwischenschritt“ befindest, kann es mal einsam werden. Der alte Umkreis passt nicht mehr zu deinen Themen und der neue hat sich noch nicht nachhaltig aufgebaut – so etwas braucht natürlich auch Zeit. Aber gerade in dieser Zeit ist es wichtig am Ball zu bleiben. Du wirst bereits gemerkt haben, wie gut dir einige Veränderungen getan haben. Also halte daran fest, auch wenn’s hier und da bequemer wäre in alte Muster zu verfallen.
Was ist gut daran?
Wir leben in einer recht schnelllebigen Zeit, man ist via WhatsApp und co. eigentlich 24/7 erreichbar. Viele Menschen kommunizieren Nonstop in irgendeiner Form - manche, weil sie es einfach nicht anders können. Sie haben ein Problem mit dem allein sein und fühlen sich bereits nach kürzester Zeit einsam. Aber zu aller erst einmal: einsam sein und allein sein sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe!
Wenn man einsam ist, sucht man nach Anschluss, vermisst ggfs. eine bestimme Person, die Aufmerksamkeit oder Zuneigung, die man von dieser eventuell erhalten hat. Man sucht die Erfüllung außerhalb.
Das Alleinsein hingegen ist ein Zustand, für den man sich bewusst entscheidet. Man möchte einfach nur mal für sich sein und die Zeit mit sich selber genießen. Man ist sich selbst genug und genießt die Zeit in vollen Zügen.
Das kann allerdings nicht jeder von vornherein, aber man kann es erlernen. Daher ist es gut, dass der Weg zur Selbstfindung einsam ist. Man muss lernen mit sich alleine klarzukommen und kann so auch lernen die Zeit wertzuschätzen. Man fängt an andere Maßstäbe zu setzen. Und vor allem macht man sich frei von den Gedanken und Zwängen der Gesellschaft. Für mich zum Beispiel ist die Zeit, die ich bewusst mit mir alleine verbringen mein größtes Glück und meine stärkste Energiequelle.
Es kann also durchaus gut sein, wenn man auch einfach mal einsam ist!
Was du aber dennoch tun kannst, wenn dich die Einsamkeit mal übermannt:
1. Akzeptiere das Gefühl
Jeder, wirklich jeder Mensch hat sich schon mal einsam gefühlt. Indem wir das Gefühl akzeptieren und benennen machen wir den ersten Schritt zu einem gesunden Umgang damit.
2. Behandle Dich selbst gut
Tu dir etwas Gutes. Bekoche dich selber sehr aufwendig, habe ein Date mit dir selbst oder genieße ein Vollbad. Der Vorstellung sind hier keine Grenzen gesetzt.
3. Suche nach Gleichgesinnten
Wir leben in einer ziemlich vernetzten Welt. Nutze das aus!
Es gibt für das alles irgendwelche Foren oder Gruppen. Suche nach passenden Gruppen für dich und tausche dich mit Personen aus, denen es genauso geht wie dir.
4. Bewegung
Treibe Sport, um dich von dem Gefühl abzulenken oder mache einen ausgiebigen Spaziergang an der frischen Luft. Vielleicht gehst du auf Entdeckungstour und fährst zu einem Ort, den du bislang noch nicht kennst. Neue Eindrücke sind immer schön!
5. Tagebuch schreiben
Setze dich mit dir und deinen Gefühlen auseinander und ordne deine Gedanken. Die Schriftform hat den Vorteil, dass du auch jederzeit wieder reinschauen kannst und es motivierend sein kann alte Einträge zu lesen und zu merken, wie weit man es schon geschafft hat.
Und wenn alles nichts nützt, dann hilft einfach nur das Aushalten.
Manche Tage ziehen sich aber eins ist sicher: auch solche Tage nehmen irgendwann ein Ende. Wichtig ist nur, dass man sich davon nicht runterziehen lässt und am nächsten Tag mit voller Energie neu durchstartet.
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